Lea Cranz ist seit September 2020 als Freiwilligendienstleistende im ALLE KICKEN MIT-Projekt mit am Ball. Damit gehört sie zu dem ersten BFD-Jahrgang, der während einer weltweiten Pandemie Einblicke in die Arbeitswelt sammeln soll. Da ALLE KICKEN MIT tagtäglich Mädchen im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften an Grundschulen, oder auch bei zahlreichen Veranstaltungen an den Fußball heranführen möchte, kann zu Zeiten von geschlossenen Schulen und entfallenden Veranstaltungen so einiges an Erfahrungen sammeln liegen bleiben. Dennoch hat Lea eher volle Wochen auf der Arbeit, doch womit füllt sie ihre Stunden bereits seit einem halben Jahr und wer steckt hinter dem Namen Lea Cranz?
Lea, lass unsere Leser:innen doch mal wissen, wer Du bist und was Du machst:
Ich bin Lea Cranz, 18 Jahre alt und seit dem 01.09.2020 im Mädchenfußballprojekt „Alle kicken mit!“ in Berlin tätig. Als Bundesfreiwilligendienstleistende habe ich die Möglichkeit, in viele Bereiche des Projekts einzutauchen. Meine Aufgaben reichen dabei von allen vier Projektbausteinen, wie Arbeitsgemeinschaften, Turnieren, Fußballcamps und dem Bereich der Qualifizierung bis hin zur Verwaltungsarbeit. Zudem bin ich für die Social-Media-Kanäle in unserem Projekt zuständig.
Du hast keinen sonderlich großen Fußballhintergrund, hast Dich aber dennoch explizit für das Mädchenfußballprojekt beworben. Woher kam die Motivation und was hast Du vorher für Erwartungen an diese Stelle gehabt?
Das generelle Interesse meiner fußballbegeisterten Familie hat für mich seit der Kindheit eine besondere Verbindung zum Fußball hergestellt. Besonders mein Vater und Bruder, der inzwischen den Handball für sich entdeckt hat, waren früher ausschlaggebend für meine Fußballentwicklung und haben mir beim Spielen schon immer den Ball angeboten. In der Grundschule habe ich meine ersten Fußballkontakte sammeln können, musste mich in den ersten Jahren meiner Schullaufbahn allerdings meistens mit Jungs messen und mir Kommentare wie: „Du als Mädchen willst Fußball spielen?“, anhören. Schüchternheit und Durchsetzungsvermögen war eines meiner größten Herausforderung, weshalb ich mich oft fehl am Platz fühlte und es mir schwerfiel, mit und vor Jungs Fußball zu spielen. Im Alter von 9 Jahren konnte ich dann Erfahrungen in einer reinen Mädchenfußballmannschaft sammeln, in der ich bis zum Ende meiner Grundschulzeit gespielt habe. 3 Jahre lang hatte ich die Möglichkeit, in einem „geschützten Raum“ zu spielen, was genau dem Projektansatz von ALLE KICKEN MIT entspricht. Ich kann die Mädchen in den Schul-AGen, welche wöchentlich durch das Projekt betreut werden, deshalb sehr gut verstehen und möchte ihnen anhand meiner eigenen Erfahrungen das Selbstbewusstsein und Vertrauen mit auf den Weg geben. Mir ist wichtig, dass die Mädchen in dem Alter wissen, dass sie – genau wie Jungs – Fußball spielen können.
Inzwischen ist Halbzeit in Deinem BFD, wie würdest Du die vergangenen Monate hier beim BFV beschreiben? Erzähl uns doch mal von Deinem bisher schönsten BFD-Erlebnis. Welche positiven Ereignisse konntest Du trotz der vielen Einschränkungen bereits in Deinen ersten Monaten mitnehmen?
Die vergangenen Monate beim BFV waren für mich eine besondere und zugleich außergewöhnliche Zeit. Mein schönstes Erlebnis war meine erste und tatsächlich auch letzte Veranstaltung in unserem Projekt – der Hofpausenkick an der Grundschule am Fuchsberg. Ich erinnere mich dabei genau an ein Mädchen, welches nach dem Spielen in der Hofpause auf mich zu kam und mir voller Freude erzählte: „Ich wusste gar nicht, dass ich Fußball spielen kann, aber dann habe ich mir einfach einen Fußball geschnappt und es hat funktioniert. Und es hat sogar richtig Spaß gemacht!“. Das hat mir in dem Moment ein ziemliches Lächeln aufs Gesicht gezaubert, weil es genau das ist, was wir durch das Projekt vermitteln und erreichen wollen – Mädchen für den Fußball begeistern und sie an den Ball bringen.
Du hast ja das „Glück“ und hast zu Pandemiezeiten mit Deinem BFD begonnen, 6 Monate später beschäftigt uns Corona auch noch weiterhin. Was findest Du an diesem Umstand besonders schade und wo siehst Du in dieser Thematik vielleicht aber auch Chancen?
Schade finde ich natürlich, dass sich die sozialen Kontakte in diesem Jahr bis auf das Mindeste beschränkt haben. Zwei der drei bisher geplanten Seminare wurden jeweils digital durchgeführt. Der einzige Hoffnungsschimmer, gleichaltrige BFD‘ler kennenzulernen, liegt beim Abschlussseminar – einem Seminar, bei welchem man sich eigentlich voneinander und dem BFV verabschiedet. Doch wie auch vieles Weitere steht das noch in den Sternen. Neben fehlenden sozialen Kontakten kommen die fehlenden Veranstaltungen und weitere praktische Erfahrungen dazu. Es ist schade, ein Feriencamp zu organisieren, die Planung bis auf das kleinste Detail zu überdenken und es am Ende doch absagen zu müssen, um dem Infektionsgeschehen gerecht zu werden.
Auch in der Sportschule hat die Pandemie einschneidende Spuren hinterlassen. Zu Beginn meiner Arbeitszeit im September 2020 konnten vereinzelt Lehrgänge im Haus stattfinden. Nach meinem Trainerlehrgang zur C-Lizenz wurde das öffentliche Leben weitestgehend heruntergefahren. Seminare sind auf digitale Plattformen umgestiegen, Lehrgänge in Präsenz wurden abgesagt. In der Sportschule ist Ruhe eingekehrt, Kollegen und Kolleginnen bekommt man nur noch selten bis gar nicht mehr zu Gesicht. Schulen wurden geschlossen, AGen sind ausgefallen, die Rechnungen aller Übungsleitungen blieben aus. Zu Beginn hat man sich schon gefragt, was jetzt überhaupt an Arbeit anfällt.
Positiv kann man in dieser Thematik allerdings festhalten, dass wir dadurch sehr gut in die Büroarbeit eingebunden werden. Wir lernen viel mehr zum Thema Verwaltung, was in „normalen“ Zeiten vielleicht öfter in den Hintergrund geraten wäre. Gerade die technischen Fähigkeiten wie der Umgang mit Computern, Programmen und Plattformen für Videokonferenzen, welche wir inzwischen im Schlaf durchspielen können, wurde verstärkt.
Würdest Du sagen, dass Du Deine Entscheidung, ein BFD zu machen, aufgrund der Pandemie bereust?
Stand jetzt nicht, nein. Ich sehe das BFD immer noch als gute Basis für ein mögliches Studium. Leider muss man jedoch sagen, dass man nicht zu 100% seiner eigentlichen Arbeit nachgehen konnte. In einigen Momenten hat man sich schon gewünscht, dass die Zeit eine andere wäre und man die Möglichkeit hat, ein Präsenztag zu veranstalten oder einfach mit Mädchen Fußball zu spielen, anstatt 5 Tage die Woche jeweils 8-9 Stunden vor dem Rechner zu sitzen und irgendwann an aufhängenden Computerprogrammen oder fehlender WLAN-Verbindungen zu verzweifeln. Da uns die Pandemie schon mehr als ein Jahr begleitet, hat man sich aber inzwischen daran „gewöhnt“, die meiste Zeit in der Verwaltung zu verbringen, sich mit Aufgaben zu beschäftigen, die sonst hinten anstehen, anstatt an der Seitenlinie die Mädchen beim Fußballspielen zu unterstützen. Der Hauptgrund, ein BFD im Sport zu machen, da es neben dem breiten Aufgabenspektrum in der Vereinstätigkeit auch den praktischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen ermöglicht, geht dadurch verloren. Trotz all diesem Punkten bin ich der Meinung, dass das Freiwilligenjahr auch in Pandemie-Zeiten die Möglichkeit bietet, Erfahrungen im Sportbereich zu sammeln, die einem vor allem in der Zukunft viel weiterhelfen können. Im Nachhinein bin ich froh, diesen Weg gewählt und mich nicht direkt fürs Studium entschieden zu haben. Wie das am Ende des BFD aussieht und ob bis dahin wieder mehr möglich ist, kann man jetzt nicht sagen.
Für die kommenden Monate erhoffe ich mir großartige Erinnerungen, eine paar Events, Spaß und vor allem das Gesicht strahlender Kinder, wenn es hoffentlich für alle endlich wieder auf den Fußballplatz – und zurück in ein halbwegs „normales Leben“ – geht.
Seit Januar hast Du mit Jana und Jessi neue Projektleiterinnen im Büro. Wo siehst Du persönlich in dieser personellen Veränderung Vor- oder auch Nachteile? Bzw. wie bist Du mit dieser Umstellung zurechtgekommen?
Ich bin mit der personellen Veränderung im Projekt sehr gut zurechtgekommen. Da Jana und Jessi schon vorher als regionale Koordinatoren in unserem Projekt tätig waren, kannte ich die beiden bereits von einigen Gesprächen, dem regen Mailkontakt und einer Veranstaltung in meinen Anfangsmonaten.
Trotzdem lassen sich einige Vor- und Nachteile in einem reinen Mädchenbüro herauskristallisieren. Die Aufgabenverteilung auf drei Leute kann zur besseren Arbeitsweise beitragen. Unterschiedliche Ideen erhöhen die Kreativität im Projekt. Jana und Jessi decken jeweils drei Bereiche des Projektes ab, wodurch man als BFD’ler einen besseren Überblick erhält, bei welchem Thema man sich eher an welche Führungskraft wenden muss. Auf der anderen Seite kann es beim Treffen von Absprachen einzelner Themenbereiche zu Zeitverzögerungen kommen. Gerade bei eigenen Ideenvorschlägen im Social Media Bereich kann solch ein Gespräch schnell ausarten, wodurch nach einer Stunde Beratung teilweise keine eindeutige Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen worden ist. Tatsächlich kann es auch mal passieren, dass man sich schnell auf den „Keks“ geht. Aber das ist bei uns noch nicht wirklich oft vorgekommen. Grundsätzlich geändert hat sich vom Arbeitsalltag her aber nichts. Natürlich werden ab und zu mal mehr Mädchengespräche im Büro geführt als früher mit männlichen Kollegen, aber das ist und war dann auch schon alles und ist gerade in einem Mädchenprojekt nicht verkehrt.
Zuletzt natürlich noch ein wenig Eigenwerbung: Was gefällt Dir persönlich am besten an dem Mädchenfußballprojekt?
Auf diese Frage eine Antwort zu finden, fällt einem gar nicht so leicht. Der Projektansatz – Mädchen in einem geschützten Raum das Fußballspielen zu ermöglichen – steht natürlich im Vordergrund. Dadurch können die Mädchen Erfahrungen und Selbstvertrauen für den zukünftigen Lebensweg sammeln. Aus eigener Erfahrung kann ich nur noch mal betonen und jedem Mädchen ans Herz legen, sich zu trauen, Fußball zu spielen und nicht auf die Meinung anderer zu hören. Die Kooperationsvereinbarungen zwischen der Schule und dem anliegenden Verein sehe ich außerdem als große Chance für den Mädchenfußball in Berlin. Mit solchen Kooperationsvereinbarungen sollen die Mädchen aus der Schul-AG direkt in den Verein überführt werden. Viele Mädchen wechseln nach der Grundschule auf die Oberschule, haben aber jeglichen Kontakt zu Vereinen und dem Fußball spielen verloren. Ich hätte mir solch eine Vereinsüberführung damals in der Grundschule sehr gewünscht, doch leider ist es bei mir genauso abgelaufen wie eben angesprochen. Genau deshalb finde ich es so wichtig, die Mädchen frühzeitig in den AGen über nahe liegende Vereine und das Angebot zu informieren, um einen einfacheren Wechsel zu ermöglichen.
Einen Blick in die Zukunft wagend, wo siehst Du Dich heute in drei Jahren? Vielleicht als Übungsleitung bei einer unserer AGen oder vielleicht doch ganz woanders?
Wie schon angesprochen bin ich mit dem Sport und insbesondere dem Fußball groß geworden. Er hat immer eine besondere Rolle in meinem Leben eingenommen und mich in gewisser Weise geprägt. In den jetzigen Zeiten gestaltet es sich schwer, feste Ziele über die Zukunft aufzustellen, weil man gelernt hat, wie sich das Leben von einen auf den anderen Tag schlagartig verändern kann. Stand jetzt möchte ich meinen Weg aber weiter in diese Richtung einschlagen. Auch dem Mädchenfußballprojekt und dem BFV möchte ich gerne erhalten bleiben. Aufgrund geschlossener Schulen und nicht stattfindender AGen würde ich mich natürlich freuen, nach meinem BFD an der Seitenlinie des Projekts erste Trainererfahrungen als Übungsleitung zu sammeln. Doch bei allem anderen lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster und kann nur sagen: „Auf alles, was da noch kommen mag!“
Na dann wünschen wir Dir viel Erfolg auf Deinem weiteren Weg, freuen uns aber natürlich auch noch sehr über die verbleibenden Monate mit Dir in unserem Projekt!
Der Schnatterball ist ein Format des Berliner Fußball-Verband e. V. im Rahmen des Mädchenfußballprojekts „Alle kicken mit!“. Dabei sollen insb. Persönlichkeiten des Berliner Frauen- und Mädchenfußballs zu Wort kommen und in verschiedenen Beiträgen ihre Erfahrungen mit anderen teilen. Die Ausgestaltung der Formate reicht dabei vom schriftlichen Interview über Fotostrecken bis zur Talkrunde auf Video. Ihr kennt interessante Menschen, die dafür in Frage kommen?
Wir schnattern mit allen, die unter allekickenmit@berlinerfv.de bei uns reinflattern.