Hallo Alex! Schön, dass Du dabei bist und wir mit Dir dieses Interview führen können 🙂
Stelle Dich unseren Leser:innen doch einmal kurz vor:
Ich bin Alexander Wegener, anscheinend mindestens 80 Jahre alt, wenn ich den Aussagen der Mädchen vertrauen kann und betreue die Mädchen Fußball AGen an der Teltow-Grundschule (1./2.Klasse + 3./4.Klasse). Zudem trainiere ich beim 1.FC Schöneberg die D- & die E-/F-Juniorinnen und beim Moabiter FSV bin ich Trainer der Frauen Mannschaften sowie der Sportwart des Vereins.
Wie bist Du überhaupt zum Fußball gekommen und warum hast Du Dich explizit für den Mädchen und Frauenfußball entschieden?
Also den Frauenfußball habe ich tatsächlich schon zu Schulzeiten verfolgt, mir war schon immer relativ egal, ob es sich um Männer- oder Frauensport handelt, ne überragende Leistung ist ne überragende Leistung, Steffi Graf z.B. hab ich deutlich lieber zugeguckt als Boris Becker.
Mein Weg in den Frauenfußball begann dann, als meine Cousine (Jill-Justine Eis) 2015 mit dem FSV Gütersloh im Halbfinale um die dt. B-Juniorinnen Meisterschaft bei Turbine Potsdam antrat. Da Potsdam ja in der Nähe ist, hab ich mir das Spiel angeguckt und meine erste Verwunderung war dann schon, dass das Spiel auf einem 0815 Sportplatz (Sportforum Waldstadt) ohne jegliches Trara, außer der einen Kamera vom DFB-TV, stattfand. Da das Hinspiel 1:1 endete, entschloss ich mich spontan auch zum Rückspiel nach Rheda-Wiedenbrück zu fahren, ich musste ja schließlich wissen wie es ausgeht. Die Tönnies-Arena hatte dann schonmal einen professionelleren Eindruck gemacht…zu Beginn. Da ich in der Nacht gefahren bin, war ich die erste Person am Stadion, irgendwann kam dann der Vorsitzende des FSV Gütersloh mit seiner Frau an, hat mich wiedererkannt und mit reingenommen. Als dann die ersten Spielerinnen samt Verwandtschaft ankamen, folgte der nächste „Kulturschock“, mein Onkel und ein paar andere Eltern haben begonnen die kompletten Sitze der Tribüne zu entstauben (ich hab dann natürlich mitgemacht, wann hat man schonmal die Gelegenheit ein Stadion zu reinigen). Den Fanartikel- und Essensverkauf haben dann zum Teil der Vorsitzende und seine Frau erledigt. Das hat mich alles total verblüfft. Wir reden hier von einem der Top Teams der zweiten Frauen Bundesliga, das auch regelmäßig in der Jugend um die deutsche Meisterschaft mitspielt und trotz relativ gutem Stadion, geht hinter den Kulissen eigentlich alles zu wie bei einem kleinen Amateurverein. Stellt euch mal Martin Kind beim Würstchenverkauf vor, undenkbar.
Naja auf jeden Fall lief dann das Spiel und irgendwann fragte mich meine Tante (damals auch Betreuerin) „Sag mal Alex, warum wirst du eigentlich kein Trainer? Du hast doch auch Ahnung von Fußball und hast selbst gespielt, die Frauen und Mädchen suchen immer.“ Und da dachte ich dann „Ja, warum eigentlich nicht?“
Danach habe ich dann recherchiert welche Vereine in Berlin wie viele Frauen- und Mädchenteams haben und wie viele Trainer:innen die ungefähr haben. Es waren dann 3-5 Vereine in meiner engeren Auswahl (im Nachhinein lustigerweise auch der Moabiter FSV), ich entschied mich dann für den 1.FC Schöneberg, weil die zu dem Zeitpunkt zwar mehrere Jugendteams hatten, aber laut Webseite nur einen Trainer (naiverweise dachte ich, dass ich bestimmt nur ne Chance habe irgendwo als Jugend Co-Trainer anzufangen, wenn die tatsächlich ganz wenige Trainer haben). Nachdem ich dann 3x zum Platz gegangen war, ohne jemand Offizielles angetroffen zu haben (nochmal danke dafür Tolga 😉), wurde mir dann beim ersten Gespräch gleich der Co-Trainer Posten bei den 1.Frauen angeboten.
Und Jungs (zusätzlich) zu trainieren kam für Dich nicht infrage?
Das wurde mir zwar auch gleich beim ersten Gespräch angeboten (ich glaube dem damaligen Vorsitzendem wäre es sogar lieber gewesen, weil Jungs cooler sind), aber ich wollte ja helfen, dass es beim Frauen-/Mädchenfußball etwas professioneller wird, denn wenn es schon in der zweiten Bundesliga einigermaßen „amateurhaft“ zugeht, wie sollte es dann erst bei den richtigen Vereinen aussehen? Da hatte ich auf jeden Fall das Gefühl, dass ich trotz fehlender Trainererfahrung was bieten kann, was die Mannschaften so bisher vermutlich nicht hatten. Ich war und bin auch immer noch der Meinung, dass die Frauen- und Mädchen bzgl. Trainer:innen Personal sehr viel mehr Unterstützung brauchen als die Jungs. Bei den Jungs gibt es doch viel mehr Trainer und sei es nur aus dem Grund, weil die sich alle für die künftigen Meistertrainer halten oder der Sohn Nationalspieler werden soll, aber es gibt sie eben, während es bei den Mädchen nicht unüblich ist, dass ein(e) Trainer:in mehrere Teams alleine betreut (Hallo!). Ich hatte also das Gefühl, dass ich im Frauen- und Mädchenbereich zu einer positiven Entwicklung beitragen könnte, während ich im Männer- und Jungsbereich eben „nur“ ein weiterer Trainer gewesen wäre.
Außerdem brauchen Männer/Jungs viel eher einen Motivator, der immer rara-Ansprachen macht, weil sie sich in ihrer Freizeit sehr viel mehr mit Fußball beschäftigen als Frauen/Mädchen, denen muss du dann einige Sachen gar nicht beibringen oder erklären, weil sie es sich schon selbst beigebracht haben, die wissen dann natürlich auch alles besser, ich hingegen bin eher der ruhigere Typ, der versucht den Spieler:innen zu erklären warum das und das jetzt Sinn macht, das passt glaube ich eher zum Frauen-/Mädchenfußball als zu den Männern/Jungs.
Glaubst Du, es interessiert die AG-Teilnehmerinnen, dass ein Trainer an der Seitenlinie steht und keine Trainerin?
„Alex, wir sind Mädchen und keine Jungs, wir brauchen eine Frau als Trainerin!“
„Alex, das ist Mädchen Fußball AG, du bist ein Junge, die Jungs sind unten!“
Das höre ich jedes Jahr aufs Neue, also ja, ich denke zumindest am Anfang interessiert es sie schon, dass da ein Trainer und keine Trainerin steht. Das legt sich dann natürlich recht schnell, aber ich glaube schon, dass wenn sie eine Wahl hätten, immer lieber eine (möglichst junge) Frau als Trainerin hätten.
Ein Vögelchen hat uns gezwitschert, dass Du nicht nur für den 1. FC Schöneberg auf dem Fußballplatz stehst, sondern Dich auch beim Moabiter FSV ehrenamtlich engagierst. Während Du in Schöneberg eher für das Trainieren von Mädchen zuständig bist, kümmerst Du Dich in Moabit um die Damen und bist als Sportwart Teil des Vorstands. Inwieweit kollidieren die beiden Bereiche, vor allem wenn es um die Neugewinnung von Mitgliedern geht?
Zeitlich kollidiert es während der Woche zum Glück nicht, da ich in Schöneberg Montag & Freitag (+ eine AG am Mittwoch) trainiere, während ich in Moabit am Dienstag & Donnerstag dran bin. An den Wochenenden wird es dann öfter mal stressig und jedes Mal wenn der Spielplan veröffentlicht wird, bin ich erstmal tagelang dabei zu versuchen Spiele so verlegen zu lassen, dass ich möglichst bei allen dabei sein kann (und dann wird wegen Corona ein Wochenende abgesagt und die ganze Planung war umsonst 😉). Wenig hilfreich für mich ist, wenn Vereine ihre Frauen samstags und ihre Mädchen sonntags spielen lassen, das treibt mich immer halb in den Wahnsinn, das zu organisieren. ^^
Bei der Neugewinnung von Mitgliedern gab es bisher keine Probleme, da beide Vereine weit genug voneinander entfernt sind, so dass es meist gar keine Option für die Mädchen ist zum jeweils anderen Verein zu gehen. Ich bevorzuge da auch keinen Verein, sondern schicke die Mädchen aus dem einem Gebiet zu Schöneberg und die aus dem anderen zu Moabit. Teilweise ist es sogar hilfreich, dass ich bei zwei Vereinen bin, bei Schöneberg haben wir diese Saison keine B-Juniorinnen Mannschaft und ich konnte zwei Spieler:innen einen Platz bei Moabit anbieten, so dass die dann doch nicht mit dem Fußball komplett aufgehört haben (aber wie gesagt, solch ein Wechselangebot mache ich nur, wenn es im anderen Verein keine Mannschaft auf absehbare Zeit geben wird).
Wenn Moabit gegen Schönberg spielt. Für wen bist Du? 😉
Da ich dann meistens bei einem der Teams als Trainer an der Seitenlinie bin, natürlich für das Team, das ich betreue und in der Regel gewinnt „mein“ Team das Spiel auch (außer mein 1.Spiel als Co-Trainer der 1.Moabit Frauen gegen die Schöneberg Frauen, das war ne Niederlage). Falls es tatsächlich eine Begegnung der beiden Vereine gibt, in die ich nicht direkt involviert bin, bin ich für das Team, bei dem mehr Spieler:innen sind, die ich mal trainiert habe oder deren Trainer:innen mir sympathischer sind (ja sorry, ich mag euch nicht alle gleich viel 😛 ).
Du bist ja nicht nur als Vereinsfunktionär tätig, sondern leitest auch noch zwei AGen für den 1.FC Schöneberg. Würdest Du auch eine Schul-AG für Moabit übernehmen?
Ja klar, insofern ihr die Entlohnung so anhebt, dass ich meinen „normalen“ Job an den Nagel hängen kann (also ich find die Idee top). ^^ Ansonsten bin ich leider schon zu sehr ausgelastet, um eine weitere AG regelmäßig zu betreuen.
Zum Abschluss: Welche Worte möchtest Du den Mädchen an dieser Stelle mit auf den Weg geben/was wolltest Du ihnen schon immer mal sagen?
Hört bitte auf euren armen Trainer immer so zu mobben!
Nein, Spaß, mein Ratschlag an die Mädchen wäre, nehmt euch den Ball und geht auch in eurer Freizeit häufiger kicken und guckt euch doch mal das ein oder andere Frauenfußball Spiel entweder im TV/Internet oder sogar im Stadion an. Es wäre auch schön, wenn Jessica mal ein Punktspieltor erzielen würde, bisher haben alle sehr guten Dribblerinnen, die ich trainiert habe, ihre Tore gemacht, Gosia, Tormaschine, Anastasija, Tormaschine, Emily, super Tormaschine, Julie, Tormaschine, Celine, Tormaschine, Lorena, halbe Tormaschine, nur Jessi nicht, aber sie ist ja auch noch klein. 😛
Vielen Dank Alex – für Deine Zeit heute und Dein Engagement!
Der Schnatterball ist ein Format des Berliner Fußball-Verband e. V. im Rahmen des Mädchenfußballprojekts „Alle kicken mit!“. Dabei sollen insb. Persönlichkeiten des Berliner Frauen- und Mädchenfußballs zu Wort kommen und in verschiedenen Beiträgen ihre Erfahrungen mit anderen teilen. Die Ausgestaltung der Formate reicht dabei vom schriftlichen Interview über Fotostrecken bis zur Talkrunde auf Video. Ihr kennt interessante Menschen, die dafür in Frage kommen?
Wir schnattern mit allen, die unter allekickenmit@berlinerfv.de bei uns reinflattern.