Jana Heyde und Jessica Graßmann berichten zum Einstieg im Interview von ihren eigenen Erfahrungen und Zielen im Mädchenfußball und Projekt. Bekannte Gesichter sind Jana und Jessica ohnehin. In den letzten Jahren waren beide für die Regionale Koordination im Nordosten bzw. Südwesten Berlins verantwortlich. Seit dem 01.01.2021 sind die beiden in die Fußstapfen von Martin Meyer getreten und als neue Projektleitung tätig. Nicht nur deshalb, sondern auch wegen ihrer jahrelangen Erfahrung und Tätigkeit als Koordinatorinnen sowie ihrer Laufbahn in unserem Projekt sind die beiden richtungsweisend für die Projektarbeit geworden. Über ebendiese sprachen die beiden jetzt im Schnatterball.
Wie seid Ihr zum Fußball gekommen und woher kommt eigentlich Eure Fußballleidenschaft?
Jessi: Obwohl ich eigentlich aus einer Handball-Familie komme, haben mein Bruder und ich ziemlich schnell festgestellt, dass wir den Ball viel lieber am Fuß haben. Im Alter von 4 Jahren bin ich in meinen ersten Verein eingetreten und habe dort bis zu meinem 12. Lebensjahr in einer Jungenmannschaft gespielt. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich dann leider relativ lange pausieren, meine Leidenschaft zum Fußball habe ich dadurch allerdings nie verloren. Ich war trotzdem oft mit Freunden auf dem Bolzplatz und habe den Profifußball im Fernsehen verfolgt. In der Oberschule habe ich eine Weile in der Schulmannschaft gespielt, bis ich das erste Mal die Seiten gewechselt habe. Plötzlich stand ich an der Seitenlinie und habe meine ersten Erfahrungen als Trainerin gesammelt. Über die Schulzeit hinaus habe ich weitere Trainerinnenerfahrungen sammeln dürfen, bis ich durch eine gute Freundin und geschätzte Kollegin, Jana, wieder selbst als aktive Spielerin auf dem Fußballplatz gelandet bin.
Jana: Tatsächlich wurde ich damals von meinem Sportlehrer in der Grundschule angefragt, ob ich an der schuleigenen Mädchenfußball-AG, die er zu dem Zeitpunkt erst frisch ins Leben gerufen hatte, teilnehmen möchte. Da ich mich damals schon von Natur aus gerne bewegt habe und ab und an mit meinem großen Bruder und seinen Freunden bolzen war, war die Antwort damals ganz klar für mich. Das war damals mein erster „organisierter“ Fußballkontakt, in einen Verein bin ich dann aber erst während der Zeit auf dem Gymnasium gegangen durch eine Freundin.
Jessi, Du hast früher selbst Erfahrungen in einer Jungenmannschaft sammeln können und bist jetzt seit 2 Jahren Spielerin in einer Frauenmannschaft. Was für Unterschiede hast Du wahrgenommen? Und wie war die Zeit für Dich?
Jessi: In erster Linie ist es natürlich schwierig, den Jugendfußball und den Erwachsenenfußball zu vergleichen. Die Zeit früher hat mir super viel Spaß gemacht, meine Mitspieler waren gleichzeitig meine besten Freunde und wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, auch abseits des Platzes. Ich würde behaupten, dass mich diese Zeit in mehreren Hinsichten sehr geprägt hat. Rückblickend würde ich auch definitiv nichts daran ändern. In der Damenmannschaft ist es natürlich etwas anders. Einige Spieler:innen gehen noch zur Schule, die anderen befinden sich in der Ausbildung, im Studium oder sind berufstätig. Zeitlich ist es daher kaum möglich, sich regelmäßig abseits des Platzes zu treffen. Ganz grundsätzliche Unterschiede sind beispielsweise die Persönlichkeitsentwicklung, das Miteinander auf und neben dem Platz und der Trainings- und Spielbetrieb im Allgemeinen. Im Kindesalter entwickelt und verhält man sich eben nochmal anders als im Erwachsenenalter.
Jana, Du hast schon in der Grundschule an einer Mädchenfußball-AG teilgenommen. War für Dich ab dem Zeitpunkt klar, nur mit Mädchen zusammen zu spielen?
Jana: Damals war die Trennung von Mädchen- und Jungenfußball für mich überhaupt kein Thema. Dadurch, dass es aber eine separate Mädchenfußball-AG an meiner Schule gab, habe ich auch da meine ersten Ballkontakte gesammelt, ohne mich aktiv gegen das Fußballspielen mit den Jungs entschieden zu haben. Als ich mich dann für den Vereinssport entschied, war ich allerdings schon 14-15 Jahre alt und war zumindest nicht so talentiert, dass ich noch mit Jungs hätte mithalten können, daher war ein reines Mädchenteam nur naheliegend für mich. Zudem kam der Schubser für den Vereinssport ja durch eine Freundin, die zu diesem Zeitpunkt in einem reinen Mädchenteam gespielt hat. Zusammenfassend war es für mich also nicht von Anfang an klar, dass ich nur mit Mädchen spielen werde, so hat es mir jedoch immer sehr gut gefallen, sodass ich das rückblickend zumindest nicht selbst ändern wollen würde.
Jessi, Du hattest im Gegensatz zu Jana, dein FSJ nicht direkt im Mädchenprojekt „Alle kicken mit“ gemacht. Wie bist Du zum Projekt gekommen bzw. wie entstand die Verbindung?
Jessi: Ich habe mein FSJ über den BFV gemacht, jedoch in zwei Vereinen. Durch ein Gespräch mit einem meiner „Mentoren“, kam dieser mit Martin, der zu der Zeit noch Projektleiter war, ins Gespräch. Da ich noch ein wenig Kapazitäten hatte, kam die Idee, dass ich zusätzlich noch im Projekt dabei sein könne. Inzwischen sind einige Jahre vergangen und ich bereue diese Entscheidung keineswegs. Schließlich konnte ich dadurch weitere Einblicke sammeln, tolle Leute kennenlernen und viel dazulernen. Nach Beendigung meines freiwilligen sozialen Jahres bin ich dem Projekt auch weiterhin treu geblieben, bis ich zuletzt über die Koordinatorenstelle nun gemeinsam mit Jana die Projektleitung übernommen habe. Damit hat sich der Kreis schlussendlich also geschlossen.
Jana, Du warst selbst eine Zeit lang als Übungsleitung bei uns tätig. In den Grundschul-AGen sammeln die Mädchen ja auch teilweise ihre ersten Ballkontakte. Wie war das Trainieren in der Grundschule für Dich und welche Rückmeldung hast Du von den Mädchen bekommen?
Jana: Ich hatte das „Glück“ und war vier Jahre lang an einer Grundschule, die die Mädchenfußball-AG und die dazugehörige Übungsleitung (also mich) sehr geschätzt und im gesamten Initiierungs-, aber auch Durchführungsprozess sehr gut unterstützt hat. Dadurch war die halbe Miete schon mal gezahlt und ich konnte mich wirklich um die Mädchen kümmern, wovon alle Parteien nur profitiert haben.
Ehrlich gesagt, hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich mich in so einer Trainerinnen-Rolle jemals wohlfühlen würde, nach meinen ersten AG-Einheiten muss ich allerdings gestehen, dass mir ebendieses Trainieren von Anfängerinnen seit Abgabe der AG, total fehlt – jetzt gerade umso mehr. Das Schöne daran war immer, dass die Mädchen unglaublich ehrlich, herzlich, aber teilweise auch sehr motiviert und ehrgeizig waren. Wenn ihnen eine Übung zu trocken war oder sie etwas einfach nicht verstanden haben, haben sie nie lange gezögert und mir das mitgeteilt – das hat meiner persönlichen Entwicklung sehr geholfen.
Für mich waren die Erfahrungen in der Grundschule durchweg eine große Bereicherung – mal war ich nach 90 Minuten völlig gefrustet, weil nichts geklappt hat und mal konnte ich nach einer AG-Einheit gar nicht aufhören, über meine Gruppe zu schwärmen und die kommenden Einheiten vorzubereiten. Wenn dann noch deutliche Verbesserungen nach kurzer Zeit bei jeder einzelnen Teilnehmerin zu sehen sind, ist das mein ganz persönliches Highlight.
Nun kennt Ihr das Projekt also so ziemlich in- und auswendig. Was war Euer bewegender + schönster Moment im Projekt zugleich? Habt Ihr spontan eine Geschichte auf Lager?
Jessi: Es gibt tatsächlich super viele Momente, an die ich mich immer wieder gern erinnere, da ist es gar nicht so leicht, besondere Momente hervorzuheben. Jedes Feriencamp war zum Beispiel ein Highlight. Viele tolle Erinnerungen, eine Menge Spaß und vor allem die ganzen strahlenden Kinder zaubern mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Generell bin ich sehr dankbar für die Zeit. Wie zuvor erwähnt, ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und konnte über verschiedene Stationen das Projekt kennen und schätzen lernen. Insbesondere, dass Jana und ich das Vertrauen bekommen haben und gemeinsam die Projektleitung übernehmen dürfen, ist etwas sehr Besonderes für mich.
Jana: Puh, es fällt mir wirklich schwer gerade den schönsten unter all den schönen Momenten festzulegen. Doch was rückblickend vielleicht am beeindruckendsten meinerseits war, ist mein ganz persönlicher Weg in diesem Projekt. 2016 als BFDlerin mit relativ wenig Projektverantwortung startend, über mehrere Jahre als Übungsleitung und regionale Koordinatorin herangereift, mit immer mehr Verantwortung, liegt es nun an Jessi und mir, dieses Projekt zu leiten, weiterzuentwickeln und somit einen großen Mehrwert für so viele Mädchen und Frauen in ganz Berlin zu schaffen und den Mädchen- und Frauenfußball somit zumindest auf unseren Ebenen präsenter aufzustellen. Ganz zu schweigen von meiner eigenen Entwicklung, ist das mit Abstand mein ganz persönlicher bewegender „Langzeit-Moment“.
Welche Ziele verfolgt Ihr für das Projekt? Was habt Ihr für die Zukunft als Projektleitung geplant?
Jana: Zum einen wollen wir natürlich den Status Quo aufrechterhalten – und zwar den Status Quo vor Corona. Zum anderen haben wir aber natürlich neue Ideen mit in die neue Stelle genommen, um vor allem das Ziel der Vereinsüberführungen zu verstärken, etwa durch eine verlässliche Auswertung von Vereinseintritten durch die AG, aber auch durch mehrere Maßnahmen direkt an unserer Projektbasis, um Mädchen den Einstieg in den organisierten Sport noch mehr zu erleichtern.
Jessi: Genau. Dies wollen wir vor allem durch die Unterzeichnung gezielter 3-Parteien-Kooperationsvereinbarungen erreichen. Darüber hinaus planen wir weitere Neuerungen wie die Einführung einer Bewegungstour für all unsere Schul-AGen, die den Teilnehmer:innen ein erstes Bewusstsein für ihren Körper, Gesundheit und Prävention schaffen sollen. Auch der Bereich der Qualifizierung soll im Projekt weiter ausgebaut werden, gezielte Maßnahmen hierfür sind unter anderem Schulungen für unsere Übungsleitungen – sowohl digital als auch analog. Seid gespannt, was auch Euch zukommen wird.
Mädchenfußball ist und bleibt etwas ganz Besonderes. Was möchtet Ihr den jungen Mädchen zum Abschluss mit auf den Weg geben?
Jessi: Egal was die anderen sagen, lasst Euch nicht unterkriegen! Kommentare wie „Mädchen können doch gar kein Fußball spielen“ oder „Fußball ist was für Jungs“ solltet Ihr am besten mit einem Ohr aufnehmen und im gleichen Moment durch das andere Ohr wieder rauslassen. Übt den Sport aus, der Euch Spaß macht und lasst Euch bei der Wahl Eurer Sportart nicht beeinflussen!
Jana: Mädchenfußball ist hoffentlich ganz bald nichts ganz Besonderes mehr, sondern einfach nur Fußball – Ein Spiel, in dem es darum geht, das Runde ins Eckige zu befördern, komplett unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion und Co.
Und genau diesen Ansatz möchte ich jeder Person mit auf den Weg geben: Wer Fußball spielen möchte, soll das „einfach“ tun und sich nicht aufgrund von anderen Eigenschaften fehl am Platze fühlen.
Vielen Dank Jana und Jessi für Eure Zeit heute! Wir freuen uns schon jetzt auf die gemeinsame Umsetzung mit Euch!
Der Schnatterball ist ein Format des Berliner Fußball-Verband e. V. im Rahmen des Mädchenfußballprojekts „Alle kicken mit!“. Dabei sollen insb. Persönlichkeiten des Berliner Frauen- und Mädchenfußballs zu Wort kommen und in verschiedenen Beiträgen ihre Erfahrungen mit anderen teilen. Die Ausgestaltung der Formate reicht dabei vom schriftlichen Interview über Fotostrecken bis zur Talkrunde auf Video. Ihr kennt interessante Menschen, die dafür in Frage kommen?
Wir schnattern mit allen, die unter allekickenmit@berlinerfv.de bei uns reinflattern.