GEHT ES BERGAB IM MÄDCHENFUSSBALL?

Jährlich im Sommer zum Übergang zwischen den einzelnen Spielzeiten machen sich Vorstände, Jugendleitungen und ehrenamtliche Trainer:innen an die „Inventur“. Wie viele Spielerinnen des Jahrgangs X haben wir eigentlich sicher? Kommen vielleicht noch neue Anmeldungen? Wer wechselt in die nächsthöhere Altersklasse? Kommen Nachwuchsspielerinnen hoch zu den Frauenteams? In vielen Teams wird zudem noch intensiv darüber beraten, ob die Meldung eines Kleinfeldteams nicht sicherer wäre als für das Großfeld. Nicht, dass am Ende kein Team mehr vorhanden ist.

Beim Blick auf die aktuellen Meldezahlen fällt auf, dass im Vergleich zum Vorjahr (142) nunmehr nur noch 136 Mädchenteams für den regulären Spielbetrieb gemeldet sind. Davon ausgehend, dass es Nachmeldungen und Zurückziehungen geben kann, ist der Wert erst einmal so zu belassen wie er ist.

Meldungen (aktuell | Vorsaison):
A-Juniorinnen 2 | 0
B-Juniorinnen 33 | 36 
C-Juniorinnen 35 | 30
D-Juniorinnen 42 | 43
E-Juniorinnen 22 | 33
F-Juniorinnen 1 | 0
G-Juniorinnen 1 | 0

Auffällig ist, dass im Bereich der E-Juniorinnen ein Drittel weniger Teams gemeldet wurde als im Vorjahr. Dieser dramatische Einbruch kann sich in den kommenden Jahren auf die nächsten Altersklasse übertragen und vor allem bei der Bildung von Großfeldteams möglicherweise zu Schwierigkeiten führen, da die Breite in den Kadern fehlt.

Die Meldungen in der A-Jugend und bei den Kleinsten werden voraussichtlich nicht in einen reinen Spielbetrieb für Mädchen münden. Bei den Jüngsten ist von einer Berücksichtigung in den Jungen- bzw. gemischten Staffeln auszugehen.

Geht es nun bergab im Berliner Mädchenfußball?
Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass der Mädchenfußball rückläufig ist, da sich weniger Teams zum Spielbetrieb angemeldet haben. Auf der anderen Seite verbuchen BFV und DFB seit Jahren steigende Mitgliederzahlen – wie kann das sein? Zu berücksichtigen ist bei diesem formalen Widerspruch, dass die Mitgliederstatisik des DFB in sich nicht transparent ist. Es fehlt an der wichtigen Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Mitgliedern, sodass anzunehmen ist, dass sich hier gegenläufige Entwicklungen abspielen. Mehr passive Mitglieder als Fans der Proficlubs und weniger aktive Spielerinnen im Amateurfußball – so könnte die Gleichung lauten.

DFB-Ebene
Bei Betrachtung aller Landesverbände in Summe (also des gesamten DFB) ist auffällig, dass seit 10 Jahren sinkende Meldezahlen hinsichtlich der Teams im Spielbetrieb vorliegen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Weltmeisterschaft der Frauen im Jahr 2011 anscheinend keine motivierende Auswirkung auf die aktive Mitgliedschaft als Spielerin im Nachwuchs gehabt hat. Von einem zuvor erwarteten Boom kann nicht zu sprechen sein. Den letzten „Boom“ erlebte (Frauen-)Fußballdeutschland in Folge der WM 2006 im eigenen Lande, dem sog. Sommermärchen der männlichen DFB-Auswahl. Quasi als Begleiterscheinung.
Bei den Frauen sind die Zahlen in den letzten Jahren nach zuletzt steigender Tendenz stabil geblieben und nunmehr auch einem starken Abwärtstrend unterworfen. Woran könnte das liegen? Gab es doch zuletzt erst ein großes Turnier in Frankreich, das für Deutschland zwar nur mäßig erfolgreich war, doch medial einen großen öffentlichkeitswirksamen Output versprach (erinnert sei an den „Pferdeschwänze“-Clip der Commerzbank). Das Statistikjahr 2019 bildet deutschlandweit einen Einschnitt in der Zahl aktiver Frauenteams, der noch nicht so recht erklärbar scheint.

NOFV-Ebene
Der Nordostdeutsche Fußball-Verband verbindet die Landesverbände des Nordostens der Republik. Auch hier zeigt sich ein besorgniserregender Trend, der sich (statistisch bereinigt um den anscheinend auf einer fehlerhaften Erfassung bei den Mädchenteams im Jahr 2010 beruhenden Wert) durchweg negativ auswirkt. Die Zahlen bei den Frauen und Mädchen sinken kontinuierlich, sodass bei den Frauen etwa 1/3 aller Teams weggebrochen sind und bei den Mädchen etwa 1/4 seit 2009. Bemerkenswert ist hier jedoch die Entwicklung bei den Frauen, die dem lange anhaltenden DFB-Trend zu steigenden Teamzahlen entgegenläuft. Mutmaßlich spielen hier Themen wie Landflucht und schlechtere Entwicklungschancen in den neuen Bundesländern eine große Rolle, die vor allem junge Frauen in andere Regionen des Landes ziehen lässt – nicht nur zu Lasten des Fußballs. Auch hier zeigt sich aber der Knick der letzten beiden Jahre, wonach überproportional viele Frauenteams nicht mehr aktiv sind.

BFV-Ebene
Wie verhält es sich gleichzeitig in der Hauptstadt? Sinken auch in Berlin die Zahlen der aktiven Teams?
Nein. Berlin ist der einzige Landesverband mit gestiegenen Teamzahlen. In Berlin zeigt sich im gleichen Zeitraum seit 2009 ein Wachstum um 5,5% bei den Mädchen und um 17,1% bei den Frauen. Gründe dafür liegen sicherlich auch im weiteren Wachstum Berlins in der letzten Dekade. An dieser Stelle sei aber auch an den Berliner Fußball-Verband klar adressiert: die Tendenz der letzten Jahre zeigt maximal eine Stagnation der gemeldeten Teamzahlen. Von einem Wachstum ist auch die Hauptstadt weit entfernt. Es bedarf daher weiter einer gezielten Unterstützung der Amateurvereine bei der Akquise neuer Mitglieder für den Mädchenfußball, die vor allem auf politischer Ebene immer wieder aufs Neue eingefordert werden muss, damit Projekte wie ALLE KICKEN MIT weiterhin aktiv mitwirken können. Der BFV hat die Zeichen der Zeit früh erkannt und fördert seit nunmehr fast zehn Jahren die Projektarbeit und beteiligt sich an den Kosten mittlerweile mit einem fünfstelligen Eigenanteil an der Projektfinanzierung. Danke!

Andere Stadtstaaten
Die Betrachtung Berlins muss immer auch im Kontext der anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen erfolgen. Hier fällt auf, dass insbesondere Bremen im Mädchenfußball stärkere Rückgänge zu verzeichnen hat (ca. 1/3), aber auch Hamburg etwa 1/5 der Teams seit 2009 eingebüßt hat. Berlin steht also auch in diesem Vergleich positiv da.

Alle Landesverbände im Blick
Betrachtet man die Statistiken in allen Landesverbänden von 2010 bis 2020 zeigt sich noch deutlicher die dramatische Entwicklung des Mädchenfußballs in Deutschland. Kampagnen, Turniere und Co. scheinen auf nationaler Ebene zu verpuffen und das Interesse am Vereinsfußball abnehmend. Berlin ist hier eine positive Ausnahme, nicht zuletzt deshalb wurde das Projekt ALLE KICKEN MIT im letzten Jahr auch mit dem Lotte Mädchenfußballpreis ausgezeichnet. Die nachhaltige Arbeit beim BFV wird geschätzt und deutschlandweit anerkannt. Nicht zuletzt in der Talentförderung zeigt sich dieser positive Trend auch. Vermehrt Berlinerinnen finden sich in den Nachwuchsauswahlen des DFB und scheinen zu bestätigen, dass eine gute breitensportliche Förderung am Ende auch in der Spitze zu positiven Ergebnissen führt. Ohne Breite keine Spitze.

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